Samstag, 28. August 2010

Abenteuer in der Boy-Go-Go-Bar

Mein Zeitungs-Boss in Pattaya hatte eines Tages die seltsame Idee, ich könnte doch mal einen knallharten Report über eine Boy-Go-Go-Bar schreiben. Wie stellt der sich das vor? Ich bin doch nicht schwul!

"Immer nur Reportagen aus Lady-Bars, das langweilt unsere Leserschaft allmählich", meinte er.

Nun gut, nachdem er mir ein Extra-Bonus-Honorar angekündigt hatte, ergab ich mich seufzend in mein Reporter-Schicksal.

So gegen 20 Uhr ziehe ich los.
Nun aber nix wie rein ins Männerparadies.
Mir fällt auf, dass in diesem speziellen Viertel nur Jungs in den Restaurants bedienen. Ziemlich ungewöhnlich hier in Pattaya.
An den Tischen sitzen ältere Farangs mit jüngeren Thai-Boys und essen Bratkartoffeln, Schnitzel und Tomatensalat. Ich bestelle das auch.
Mit vollem Magen kann man besser knallhart recherchieren.
Was mir auffällt: So ganz perfekt passen die Tattergreise und die gertenschlanken Boys eigentlich nicht zusammen. Rein optisch.
Bei den älteren Herren und den jüngeren Damen kommt einem der Kontrast mittlerweile ja fast schon normal vor. Die Macht der Gewohnheit.

Ich also mit zwei Bier und viel Schnitzel im Bauch raus auf die Straße und rein in die erstbeste Boy-a-Go-Go. Ein sehr höflicher junger Mann mit viel Gel im Haar nimmt mich in Empfang. „Ich mag deine Zunge.“
Mir wird schon ganz anders, doch dann kapiere ich, dass er bloß die Rolling-Stones-Zunge auf meinem T-Shirt meint. Dann läuft mir der Angstschweiß in den Nacken, denn nun stehe ich vor einer Tanzfläche, auf der sich sieben junge Boys in weißen Unterhosen räkeln. Man geleitet mich zu einem Barhocker, das kenn ich alles aus dem Effeff von den Lady-Go-Gos, nur dass hier im Halbdunkel Farangs mit jungen Männern herumknutschen.
Die Jungs in ihrer Calvin-Klein-Unterwäsche verbiegen sich an den Stangen, die Musik ist etwas schwülstiger als in anderen Bars, und mit dem Bier kriege ich auch gleich einen Flirtpartner serviert. Das hat mir gerade noch gefehlt – aber: Ich soll ja knallhart recherchieren. Also ran an den Knaben.

Zuerst das Übliche: „What your name?“ und so weiter, dann stell ich ihm die Schlüsselfrage: „Sag mal Koi (das ist sein Spitzname), wieso bist du eigentlich so geworden?“
„Wie so?“
„Ja, ich meine, dass du nur Männer magst.“
„Nee“, antwortet der Knabe. „Ich bin nicht schwul. Ich mag Mädchen. Bin nur zum Geldverdienen hier.“

Donnerwetter – da hätten wir doch schon mal eine echte Info. Jetzt mach ich auf schwul und frage ihn, ob er mir einen echten Gayboy schicken kann.
„Klar kann ich das“, lispelt er, haut mir aufs Gesäß und verschwindet hinter einem Vorhang, der die Klos verdeckt.

„Kopp khun kaa!“ rufe ich ihm schwul hinterher.

Zwei Minuten später hockt Tom neben mir – ein echter Ladyboy.
Ich stelle ihm dieselbe Frage: „Warum bist du eigentlich so geworden?“
„You first order me drink?“
Na gut. Endlich tischt er mir seine Story auf.

„Als ich 16 Jahre alt war, bin ich am Strand vergewaltigt worden. Seitdem bin ich so.“
Er guckt ganz traurig.
„Warum bist du denn nicht weggelaufen?“

Er runzelt die Stirn.
„Weglaufen? Wie denn? Mit Stöckelschuhen ist das nicht so einfach.“

Ich befürchte, der ist nicht ganz dicht – oder er hat meine Frage falsch verstanden.
Die Bedienung (natürlich auch ein Kerl – im kurzen Sporthöschen) will gleich Bares sehen. Ich taste nach meinem Portemonnaie und bemerke, dass meine Gesäßtasche leer ist. Das war garantiert dieser Mist-Koi, der vorhin meinen Hintern betatscht hat.
Ich also runter von meinem Hocker und rein ins Männerklo.
Koi zählt gerade die frischen 1000-Baht-Scheine durch, und sein Gesicht erstarrt, als er mich wie einen Rachedämon in der Klotür stehen sieht.

„War nur Spaß, war nur Spaß!“ lacht er und wirft mir die Geldbörse rüber. Jetzt bin ich dran mit zählen, und siehe da – 2000 Baht fehlen. Ich will ihm gerade ans Fell, als ich eine Riesenpranke auf meiner rechten Schulter spüre. Die gehört einem Rausschmeißer und der steht vermutlich nicht auf Jungs, sondern auf Kraftmaschinen.
„Was ist hier los?“

Ich erkläre ihm den Sachverhalt, danach erzählt ihm Koi seine Version auf Thai. Schließlich lacht der Bodybuilder, haut mir kräftig auf die Schulter und kommt mit einem Kompromiss rüber.
„Ich weiß nicht wer lügt – also machen wir ein Spiel. Mister Tiao, wenn du in weißer Unterwäsche auf der Bühne tanzt – nur einen Song – zahlt dir Koi 2000 Baht. Ansonsten ist die Kohle futsch.“

Innerlich koche ich vor Wut, weil ich sehe, wie sich Kois Knabenvisage zu einer lächelnden Grimasse verzerrt. Der Junge denkt natürlich, dass ich nicht den Mumm habe, mich in diesem Männerpuff öffentlich zu entblößen. Da hat er sich aber verrechnet. Erstens bin ich leicht angeheitert, und zweitens kennt mich hier doch sowieso keine Sau.
Ich also raus aus meinen Klamotten und rauf auf die Bühne in meiner Schießer-Unterhose. Die Boys lachen sich kaputt, klatschen im Takt zu meinen tänzerischen Verrenkungen und verpassen mir kleine Klapse auf den Hintern. Alles halb so wild.
Im Blitzlichtgewitter der Scheinwerfer verfalle ich beinahe in eine Art Tanz-Ekstase und sehe nur aus den Augenwinkeln, dass neue Gäste durch die Tür kommen.

„Mensch Tiao, was machst du denn da?“ brüllt einer quer durch den Raum.

Mein Herz rutscht mir vor Schreck in die Unterhose: Da steht mein Kumpel Rolf Bücker aus Pattaya – und Heinz, Dieter, Erwin – die ganze Skatrunde!
Da ich schlecht im Boden versinken kann, verlasse ich fluchtartig die Bühne und haste zurück aufs Klo.
Naja – ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich richtig ungeniert.

Nachher hab ich den Jungs also die ganze Story gebeichtet – und diese Mistkerle hatten auf meine Kosten einen richtig lustigen Abend.

„Aber – was wollt ihr eigentlich hier?“ frage ich endlich.
„Nur so aus Interesse“, sagt Dieter. „Wir haben doch sonst schon alles gesehen hier in Pattaya.“
Und Koi, der eigentlich ein ganz netter Kerl ist, gab mir schließlich sogar die 2000 Baht zurück.
Ich sag euch: Ganz schön anstrengend so ein Rentnerleben hier im Ferienparadies.

Also dann, bis die Tage
Euer Tiao

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